Lehrreich und lieblich

(mittel)
Wie macht man eigentlich gute Gedichte? Das folgende ist eines der berühmtesten Rezepte.
Der wird vollkommen sein, der teils ein lehrreich Wesen
Und teils was Liebliches durch seinen Vers besingt;
Zum Teil dem Leser nützt, zum Teil Ergetzung bringt.
Horaz
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Kommentar

Es ist allerdings nicht in dieser Form so berühmt. Der alte Römer Horaz formuliert es so:

„Omne tulit punctum, qui miscuit utile dulci.
Lectorem delectando pariterque monendo.“ Und man kennt es ganz kurz auch so: „Prodesse et delectare!“ Nützen und erfreuen soll der Dichter.

1800 Jahre später hat dann ein deutscher Professor wieder einmal auf Horaz zurückgegriffen, um eine solide Grundlage für die Dichtkunst seiner eigenen Zeit zu schaffen.

Für diese, das aufgeklärte 18. Jahrhundert, war das Lehrreiche, Belehrende in der Kunst unverzichtbar; während wir heute sicher die „Ergetzung“ (Ergötzung, Vergnügen) höher schätzen.
Aufklärung

Autor und Werk

Horaz, 65-8 v.Chr.
Johann Christoph Gottsched, 1700-1766.
Ars poetica = Dichtkunst von Horaz, um 19 v.Chr.; Versuch einer Critischen Dichtkunst, Gottsched, aus dem Jahr 1730.

Gottsched steht mit seiner „Critischen Dichtkunst“ ganz am Anfang der Erneuerung der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert, die relativ schnell auf ungeahnte Höhen führen sollte. Die Bedeutung von „ergetzen“ und nützen, prodesse und delectare, Lieblichem und Lehrreichem, wird dabei einige Wandlungen erfahren und schließlich ebenfalls Gegenstand philosophischer Reflexion werden.

Verben

besingen nützen bringen
20190329


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